Abstand zum Vorderfahrzeug  (Tiefen-, Reaktions-, Sicherheitsabstand)

Der Lenker eines Fahrzeuges hat stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird (§ 18 Abs.1 StVO).

Festgestellt wird der Tiefenabstand zwischen auf demselben Fahrtreifen fahrenden Fahrzeugen durch Nachfahren, meist aber unter Verwendung des so genannten VKS-Systems, derzeit Version 4.0, welches der Eichpflicht unterliegt.

Mit diesem werden aus einer Videoaufzeichnung Geschwindigkeit und Abstand von Fahrzeugen bestimmt. Dafür wird eine Videokamera verwendet, welche meist auf einer Autobahnbrücke mindestens drei Meter oberhalb der Fahrbahn angebracht wird; mit einer zusätzlichen Video- bzw. Fotoanlage wird das Fahrzeug identifiziert, Abstände und zurückgelegte Strecken werden mit perspektivischer Transformation gemessen. Dazu dient ein mit vier Passpunkten markierter Fahrbahnabschnitt; die Passpunkte werden mit einem geeichten Längenmesser oder einem elektrooptischen Tachymeter eingemessen.

Der Fahrbahnabschnitt weist (von der Kamera aus gesehen) linksseitig den Passpunkt1, den Kontrollpunkt1 und den Passpunkt2 auf, rechtsseitig den Passpunkt 4, den Kontrollpunkt2 und den Passpunkt3. Die Kontroll- zwischen den Messpunkten müssen gewisse Kriterien erfüllen, der Abstand zwischen den Kontrollpunkten 1 und 2 und zwischen den Passpunkten 1 und 4 ist fix.

In einer Sekunde werden 25 (Halb)Bilder aufgenommen und im Computersystem auf das Videosignal mit einer Framegrabberkarte (Umwandlung des analogen Videosignals in ein digitales Raster) ein Messraster gelegt. Mit der Computermaus bewegt der Anwender ein Fadenkreuz und Messlinien.

Mit der Formel v = s/t wird auf der Basis der gefahrenen Strecke und des dafür benötigten Zeitraums die Geschwindigkeit errechnet.

Der dabei gewonnene Wert wird zugunsten des Betroffenen um 3 km/h (bis 100 km/h errechnete Geschwindigkeit) bzw. 3% (über 100 km/h) reduziert (Verkehrsfehlergrenze) und auf die nächste ganze Zahl abgerundet.

Dieses Ergebnis wird der Anzeige an die zuständige Verkehrsbehörde zugrunde gelegt, welche das Verwaltungsstrafverfahren einleitet und eine Verkehrsstrafe verhängt.  

Zum Themenkreis gibt es eine aktuelle Entscheidung des LVwG Tirol vom 10.7.2020, welches in der Zwischenzeit vom VwGH aufgehoben, im zweiten Rechtsgang aber das Straferkenntnis der BH Schwaz vom 20.3.2019 wiederum bestätigt wurde (180 Euro nach § 99 Abs.2c Z.4 StVO bei einem zeitlichen Abstand zum Vorderfahrzeug von 0,39 sec).

Im Jahr 2018 hat der VwGH (Senat 2) ein Erkenntnis zu den Voraussetzungen einer tauglichen Feststellung des Tiefenabstands getroffen.

Beispielbilder aus einem aktuellen Fall des Homepagebetreibers RA Dr. Postlmayr, Mattighofen:

Die Folgen eines zu geringen Sicherheitsabstands :

  • 0,8 sec und darüber: in der Praxis kein Verfahren, sicher nicht ab 1 Sekunde Reaktionsabstand
  • 0,4 bis 0,8 sec: Geldstrafe (Strafrahmen: bis 726 Euro)
  • 0,20 bis 0,39 sec: Geldstrafe (Strafrahmen: bis 2.180 Euro) und Eintragung ins Vormerksystem; ab der zweiten Übertretung binnen zwei Jahren: Nachschulung, ab der dritten: Entzug der Lenkberechtigung für mindestens drei Monate
  • 0,19 sec und darunter: Geldstrafe (Strafrahmen: bis 2.180 Euro) sowie Entzug der Lenkberechtigung für mindestens sechs Monate (besonders gefährliche Verhältnisse werden angenommen) sowie Überprüfung der gesundheitlichen Eignung (konkret: die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung) zum Lenken von Kfz mittels VPU und amtsärztlichem Gutachten

Strafbestimmungen:

§ 99 Abs.3 StVO: bis 726 Euro bei einem Sicherheitsabstand > 0,4 sec

§ 99 Abs.2c Z.4 StVO: bis 2.180 Euro bei 0,2 bis 0,39 sec

§ 99 Abs.2 lit.c StVO: bis 2.180 Euro bei < 0,2 sec

Entzug der Lenkberechtigung  „Führerscheinentzug“ :

Bei einem Sicherheitsabstand von > 0,4 sec:  nein

Bei einem Sicherheitsabstand von 0,2 bis 0,39 sec:  nein, aber Vormerkdelikt !

Bei einem Sicherheitsabstand von < 0,2 sec: mindestens sechs Monate

Weitere Maßnahmen der Führerscheinbehörden:

Bei unter 0,2 sec wird überdies von der Führerscheinbehörde mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung angenommen und eine verkehrspsychologische Stellungnahme sowie eine amtsärztliche Untersuchung angeordnet, in der Praxis auch bei wiederholten groben Unterschreitungen des nötigen Sicherheitsabstandes.

Im Fall eines Auffahrunfalls treten (wie meist auch bei einem Reaktionsverzug) bei Unterschreitung des nötigen Reaktionsabstands Schadenersatzpflichten ein, welche zu Problemen mit der Kfz-Haftpflichtversicherung führen können, wenn der Abstand viel zu gering war.

Wird bei einem solchen Unfall jemand verletzt oder gar getötet (§§ 80 und 88 StGB) kommt es zu einem gerichtlichen Strafprozess anstatt zu einem Verwaltungsstrafverfahren.

Ebenso bei Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§ 89 StGB), wenn zum zu geringen Sicherheitsabstand noch eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit, widrige Fahrbahnverhältnisse etc. treten.